Lange Spaziergänge durch sein hügeliges Viertel in Pittsburgh wurden für Jagdish Bhatnagar unheimlich, als seine linke Wade so stark schmerzte, dass er sich am Straßenrand ausruhen musste. Bei dem 83-jährigen pensionierten Medizinphysiker, bei dem Anfang 2021 eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) diagnostiziert wurde, wusste er, dass verstopfte Blutgefäße in seinem Bein die Ursache für seine schweren Krämpfe waren.
Aber Bhatnagar musste sich keiner Operation unterziehen und nahm auch keine Medikamente gegen seinen Zustand ein. Stattdessen nimmt er an einem überwachten Bewegungstherapieprogramm (SET) teil, das ihm hilft, seine Schmerzen dreimal pro Woche auf einem Laufband zu überwinden, während er von einer Krankenschwester oder einer anderen medizinischen Fachkraft überwacht wird.
Seit der Entscheidung von Medicare im Jahr 2017, SET zu übernehmen, hat sich diese PAD-Behandlung in den gesamten USA langsam durchgesetzt. Studien zeigen, dass SET Menschen wie ihm dabei helfen kann, länger und bequemer zu gehen.
„Ich habe das Gefühl, dass ich durch diese Übung verjüngt werde“, sagt Bhatnagar. „Früher fühlte ich mich wie ein kranker Mensch. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass ich gesund werde.“
Das Gehen auf dem Laufband, die wichtigste Form der Bewegungstherapie in SET-Programmen, ist der Goldstandard zur Verbesserung des Hauptsymptoms der pAVK, der sogenannten Claudicatio. Unter Claudicatio versteht man Schmerzen und Krämpfe in der Wade, im Oberschenkel oder im Gesäß, die beim Gehen auftreten, weil zu wenig Sauerstoff in die Beinmuskulatur gelangt.
„Grundsätzlich verbessert das Gehen die Art und Weise, wie die Muskeln Sauerstoff nutzen, oder hilft dabei, mehr Blutgefäße zu entwickeln, um die Sauerstoffversorgung zu erhöhen“, sagt Mark Jordan, ein leitender klinischer Sportphysiologe, der SET-Sitzungen am University of Pittsburgh Medical Center in Pennsylvania leitet. Übersetzung: Es verbessert die Durchblutung des Beins.
Ein typisches SET-Programm umfasst bis zu 36 Sitzungen über 12 Wochen, die jeweils 30–60 Minuten dauern.
Zunächst machen Sie einen Gehtest, um zu messen, wie lange und schnell Sie gehen können, bis Sie Schmerzen im Bein verspüren. Ihr Team passt dann die SET-Sitzungen an Ihre Fähigkeiten an und kombiniert Geh- und Ruhephasen entsprechend Ihren Symptomen. Wenn Sie sich verbessern, passt Ihr Therapeut die Einstellungen Ihres Laufbands an, um Geschwindigkeit, Steigung und Gehzeit zu erhöhen, sagt Jordan.
„Wir verwenden für Patienten eine Schmerzskala von 1 bis 5, um ihre Schmerzen beim Gehen einzuschätzen“, sagt er. „Sobald sie vier erreicht haben, lassen wir sie anhalten und sich setzen. Sie warten darauf, dass ihre Schmerzen verschwinden, und gehen dann wieder weiter. Das machen sie mehrmals, bis sie insgesamt 60 Minuten gelaufen sind.“
Einige SET-Programme integrieren andere Trainingsformen. Dazu können ein Ergometer – ein Fahrrad, auf dem Sie mit den Armen treten – gehören, aber auch ein stationäres Fahrrad, ein Rudergerät sowie Arm- und Beingewichte. SET-Programme informieren Sie auch über die Krankheit selbst und über gesunde Ernährung, um Ihre Risiken zu verringern. (Einige SET-Programme umfassen einen Ernährungsberater im medizinischen Team.)
„Wirklich, jede Bewegung hat sich als vorteilhaft erwiesen“, sagt der Gefäßchirurg Oliver Aalami, MD, klinischer außerordentlicher Professor für Chirurgie an der Stanford University. „Aber wenn Sie versuchen, Ihre Beschwerden beim Gehen zu lindern, dann ist Gehen am besten. Beim Fahrradfahren werden zum Beispiel andere Muskeln beansprucht, daher führt dies nicht immer zu einer Linderung der Beinschmerzen bei pAVK.“
Untersuchungen zeigen, dass SET-Programme genauso gut funktionieren wie invasivere pAVK-Behandlungen, beispielsweise eine Operation, bei der ein käfigartiger Stent in Ihrem Bein platziert wird, um offene Blutgefäße zu unterstützen. Das Programm kann auch das Risiko anderer schwerwiegender Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall verringern. Aus diesem Grund ist SET eine von vier nicht-chirurgischen Behandlungen für pAVK, die vom American College of Cardiology und der American Heart Association empfohlen und zur Messung der Versorgungsqualität verwendet werden.
Im Vergleich zum Training auf eigene Faust bietet das Training unter Aufsicht noch einige weitere Vorteile, sagt Jordan. Zum einen werden Sie dadurch zur Rechenschaft gezogen und können sich an einen Laufplan halten, selbst wenn Sie versucht sind, nachzulassen. Eine persönliche Bewegungstherapie bedeutet auch, dass ein Arzt Sie auf Veränderungen Ihrer Herzfrequenz und Ihres Blutdrucks überwacht.
„Wir sind nicht nur in der Lage, Patienten anzuleiten und aufzuklären, sondern wir können sie auch ein wenig über ihre Komfortzone hinausbringen, bis sie ein leichtes bis mäßiges Schmerzniveau erreichen, das sie benötigen, um einen Nutzen zu erzielen“, sagt Jordan.
Obwohl Schmerzen normalerweise das Signal des Körpers sind, mit etwas aufzuhören, wird dieses Symptom erwartet und ist sogar notwendig, um eine pAVK durch sportliche Betätigung erfolgreich zu behandeln.
„Es ist in Ordnung, Wadenschmerzen zu erleben“, sagt Aalami, der anmerkt, dass es Menschen verständlicherweise davon abhalten kann, das zu tun, was ihnen gut tut. Aber die Aufklärung über die Vorteile – und das Wissen, was Sie erwartet – kann Ihnen helfen, mit den Beschwerden umzugehen.
Menschen mit pAVK „sollten mit Schmerzen im Bein rechnen“, stimmt Jordan zu. „Wir stellen immer sicher, dass sie das im Voraus wissen. Manchmal müssen wir sie dabei unterstützen und ihnen versichern, dass sie in Sicherheit sind.“
Ein Hindernis für die Teilnahme an einem formellen SET-Programm besteht darin, dass Sie möglicherweise Schwierigkeiten haben, es in Ihrer Nähe zu finden. Fragen Sie Ihren Arzt, ob in Ihrer Region eine SET-Behandlung verfügbar ist.
„Bisher scheint die private Versicherung das abzudecken“, sagt Jordan. „Die meisten unserer Patienten beziehen Medicare, aber es gibt so viele verschiedene Pläne. Es ist immer am besten, bei Ihrer Versicherung anzurufen und nachzufragen, ob die Kosten abgedeckt sind.“
Doug Giller aus Lansing, MI, hat kein SET-Programm in der Nähe. Doch der 63-Jährige konnte an einem Pilottest einer neuen Handy-App teilnehmen, die die Möglichkeit virtuell bieten soll. Die von der Society for Vascular Surgery entwickelte App umfasst auch telefonische Konsultationen mit einem Arzt.
Giller, ein Großvater von acht Kindern, wurde 2019 mit pAVK diagnostiziert, nachdem er beim Gehen Schmerzen in der rechten Wade hatte, „als hätte dich jemand getreten“. Der selbst beschriebene „Typ-A-Persönlichkeit“ begann mit seiner App eine einstündige tägliche Gehroutine durch sein großes Haus, die er seit mehr als zwei Jahren aufrechterhält.
„Letztes Jahr habe ich einen neuen Teppich bekommen, und ich kann fast einen Weg hindurch erkennen“, sagt Giller, ein pensionierter Elektriker. „Es ist jetzt wie eine Rennstrecke.“
\Aalami, einer der Entwickler der App, sagt, dass die Society for Vascular Surgery ihre ersten 10.000 Menschen mit pAVK für die SET-App einschreibt und dann einen Versicherungsschutz beantragen wird.
Dank SET verspürt Bhatnagar beim Gehen keine Schmerzen mehr im Bein. Er wandert fröhlich durch die Hügel und Täler seiner Nachbarschaft. „Ich habe diese Angst nicht mehr – ich gehe einfach“, sagt er. „Es ist fantastisch.“
Giller hingegen verspürt immer noch Schmerzen. Aber er betrachtet es als eine Erinnerung, weiterzumachen.
„Es ist nichts anderes als der Schmerz, als ich anfing“, sagt er. „Ich erschaffe neue Wege, über die mein Blut zu meinem Bein fließen kann.“
Giller hat eine Operation vermieden und sein Arzt sagt, die Blockade in seinem rechten Bein habe sich soweit verbessert, dass er keine Operation wegen Stents empfehlen würde.
