In der Allgemeinheit aber auch in der Wissenschaft hält sich seit Jahrzehnten die Annahme, dass Männer leichter und schneller sexuell erregbar sind als Frauen. Ob diese Annahme tatsächlich der Realität entspricht, haben nun Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen anhand einer Metastudie untersucht. Laut der im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichten Forschungsarbeit haben sie dazu Daten von 61 Studien analysiert, die insgesamt 1.850 Probanden untersucht haben.
Neben dem Geschlecht und der sexuellen Orientierung wurde auch die Nationalität der Studienteilnehmer bei der Auswertung der Daten berücksichtigt. Während der Studien wurden den Teilnehmern erotische Filme und Bilder gezeigt, die so auch beim Webcam Telefonsex vorkommen. Dabei wurde die Reaktion ihres Gehirns mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRI) beobachtet, die die Gehirnaktivität anhand des Sauerstoffgehalts des Blutes im Gehirn erkennt.
Keine Unterschiede in den Gehirnreaktionen
Laut den Wissenschaftlern um Forschungsgruppenleiter Hamid Noori sind die Gehirnreaktionen auf optische Sexualreize bei Männern und Frauen identisch. Große Unterschiede gibt es aber bei den Aktivitätsmustern. Wie Noori erklärt, „fallen die Reaktionen unterschiedlich aus, je nachdem wie die Reize präsentiert werden.“ Konkret konnte die fMRI-Untersuchung feststellen, dass bei Bildern im Vergleich zu Filmen eine weiter verteilte Erregung in mehreren Hirnregionen auftritt.
Außerdem beeinflusst die sexuelle Orientierung der Studienteilnehmer ebenfalls die gemessenen Aktivitätsmuster. Laut Noori „reagierten Heterosexuelle stärker auf die visuellen Reize als homosexuelle Probanden“, jeweils unabhängig von ihrem Geschlecht. Zusammenfassend zeigt die Metastudie, dass die Erregung auf neurobiologischer Ebene bei Männern und Frauen identisch abläuft.
Kanadische Studie bestätigt Ergebnisse
Ähnliche Ergebnisse zeigt auch eine Studie der McGill University in Montreal, die vom kanadische Psychologen und Sexualtherapeuten Irv Binik durchgeführt wurde. Binik zeigte dazu weiblichen und männlichen Probanden über eine Videobrille verschiedene Filmszenen, darunter Reisevideos, Horror-Filme, Mr. Bean und Pornografie. Währenddessen befanden sich die Probanden allein in einem Raum, um sicherzustellen, dass sie nicht durch äußere Reize abgelenkt werden.
Ausgewählt wurden die pornografische Film aus Material des Kinsey-Instituts, das nach dem Sexualforscher Alfred C. Kinsey benannt wurde und von dem vorherige Studien gezeigt haben, das es sowohl Männer als auch Frauen sexuell erregt. Während des Experiments beobachteten die Wissenschaftler den Lendenbereich der Probanden mit einer hochempfindlichen Wärmebildkamera, die normalerweise vom Militär bei Aufklärungseinsätzen genutzt wird. Eine steigende Temperatur im Genitalbereich, die durch eine erhöhte Durchblutung ausgelöst wird, deuteten die Wissenschaftler als Beleg für sexuelle Erregung.
Höchste Erregung bei Männern etwas früher erreicht
Es zeigte sich dabei, dass Männer die maximale Temperatur im Genitalbereich und damit auch die höchste Erregung im Durchschnitt nach 665 Sekunden Pornokonsum erreichen. Bei Frauen waren im Durchschnitt dafür 743 nötig, was laut Binik „statistisch ein vernachlässigbarer Unterschied“ ist. Die Studienergebnisse können laut Tuuli Kukkonen, Co-Autor der Studie, die im Journal of Sexual Medicine publiziert wurde, „dabei helfen sexuelle Dysfunktion bei Frauen zu diagnostizieren und zu behandeln.“ Binik konstatiert, dass „die Wissenschaftler gesehen haben, dass es keinen Zeitunterschied bei gesunden, jungen Männern und Frauen gibt, wenn es darum geht, den Gipfel sexueller Erregung zu erreichen.“